Trotz großer Unterstützung in der Bevölkerung entlang des gesamten Streckenverlaufs4, wurden diese Pläne nie realisiert. Wie konnte es dazu kommen, dass Glandorf von dieser wichtigen Infrastruktur abgeschnitten wurde?
Die Bahnstrecke Münster – Osnabrück wurde als Teilstück der Venlo – Hamburg Eisenbahn gebaut. Im Kaiserreich entwickelte sie sich zu einer der wichtigsten Verbindungen Deutschlands, denn sie ermöglichte eine direkte Verbindung vom sich damals entwickelnden Industriegebiet an Rhein und Ruhr zu den Seehäfen in Bremen und Hamburg5.
Im 19. Jahrhundert profitierte Glandorf zunächst von seiner zentralen Lage zwischen diesen Zentren: Es entwickelte sich zu einem Seilereizentrum, denn es wurden sowohl Seile im Bergbau, als auch Taue und Netze in den Werften an den Häfen benötigt6 . Vor der Eröffnung der direkten Eisenbahnstrecke verkehrten sogenannte Bremerwagen zwischen Nordsee und Ruhrgebiet7. Wichtig war hierfür ein (für damalige Verhältnisse) gut ausgebautes Straßennetz. Genau an einer solchen Verbindung lag Glandorf: Napoleon hatte 1811 den Bau einer großen Landstraße von Wesel über Münster, Glandorf, Iburg nach Osnabrück veranlasst, die 1830 fertiggestellt wurde8. Heute kennen wir diese Straße als B51. Hierdurch war Glandorf an eine wichtige wirtschaftliche Pulsader angeschlossen.
Die ersten Pläne, die Industriereviere an Rhein und Ruhr durch eine direkte Eisenbahnverbindung über Münster und Osnabrück an die Seehäfen in Bremen und Hamburg anzuschließen, gab es ab 18619 . Sie gehen auf den Münsteraner Gasfabrikanten Johann Anton Sabey zurück. Die geplante Bahnstrecke sollte von Venlo kommend den Rhein bei Mehrhoog kreuzen und über Coesfeld, Münster, Telgte, Iburg nach Osnabrück und von dort durch das Großherzogliche Oldenburgische Gebiet über Vechta nach Bremen und Hamburg führen10.
In Beckum plante ein dort gegründetes Komitee bereits eine Anschlussbahn, die von Soest über Beckum, Freckenhorst, Warendorf führen und in Glandorf etwa auf Höhe der Ortsgrenzen zu Iburg und Lienen auf die Strecke Münster – Osnabrück münden sollte11. Auf dieser Zubringertrasse hätte ein Bahnhof in Glandorf auf dem Timpen gelegen12. Die Familien Hanewinkel und Wibbelsmann kauften damals Grund auf dem Timpen, um den Bahnbau geschäftlich nutzen zu können. Wibbelsmann baute ein Gebäude, das als Bahnhof genutzt werden sollte und noch heute dort steht13.
Die Planung für den Streckenverlauf der Venlo – Hamburg Eisenbahn wurde aber von Anfang an durch politische Interessen behindert: Von Venlo bis zur Nordsee hätte die Strecke durch fünf Staaten geführt: die Niederlande, die Königreiche Preußen und Hannover, sowie die Stadtstaaten Bremen und Hamburg – und alle hatten ihre eigenen Interessen, die sie durchzusetzen versuchten.14
Aber nicht nur auf Staatsebene gab es unterschiedliche Vorstellungen zum Streckenverlauf: Es gingen viele Schreiben aus den einzelnen Ortschaften zwischen Münster und Osnabrück bei den Ministerien und Regierungen ein, um Einfluss zu nehmen auf die finale Streckenführung. Dies macht deutlich, wie hoch man deren Bedeutung für die Entwicklung der Region einschätzte15. So gab es bereits seit 1862 eine alternative Routenplanung der Verbindung Münster – Osnabrück über Lengerich16. In den folgenden Jahren wurde viel gerungen, welche Alternative realisiert werden sollte. Am intensivsten für die Führung durch den (heutigen) Osnabrücker Südkreis setzte sich wohl der Iburger Arzt Dr. med. Alfred Lamby ein. In seiner Schrift, die vermutlich an die Regierung in Hannover gerichtet17, schreibt er: