Die Honoratioren Glandorfs taten sich schwer mit der Sperrstunde. Hier ein Protokoll eines leider unbekannt gebliebenen Verfassers:
„Glandorf, der 15. April 1904 – Der westf. Rundschau entnommen.
In 100 Jahren wird man es als ein Märchen aus alter Zeit den Kindern erzählen, dass früher unbescholtene Leute nach des Tages Arbeit und Mühe höchstens bis 10 Uhr abends bei einem Glas Bier sich der Erholung widmen durften. In der Tat ist es kaum verständlich, daß derartige Polizeiverordnungen in unserem Zeitalter noch bestehen.
Am Sonntag abend mußten einige hiesige Bürger mal wieder sich davon überzeugen wie sorgsam die Polizei über das Wohl und Wehe der Unterthanen wacht. In der Gaststube einer respektablen Wirtschaft saßen gegen 11.00 Uhr einige angesehene Bürger in gemütlicher Unterhaltung. Die Wirtin, die, nebenbei bemerkt, Wittwe ist, hatte unterlassen Feierabend zu bieten. Plötzlich trat der Schandarm dazu und forderte die Anwesenden auf, ihren Namen zu nennen, welches auch selbstverständlich sogleich geschah. Das Eigenthümliche bei der Sache ist, daß alle zur Bestrafung Notirten hiesige Bürger sind und zwar sämtlich Beamte oder doch wenigstens mir irgend einem Posten oder Pöstchen betraut.
Nr. 1 ist Vertrauensmann des Volksvereins, Nr. 2 Mitglied des Reichstag-Wahlkomitee, Nr. 3 Himmelträger bei der Prozession, Nr. 4 Standesbeamter, Nr. 5 Trichinenschauer, Nr. 6 gewesener Trichinenschauer, Nr. 7 Angestellter bei Turmuhr, Nr. 8 ein Hochstudierter.
Die Glandorfer werden gut thun, künftig die Befehle der Polizei gewissenhaft zu respektieren. Der treue Staatsbürger gehorcht sogar der schalkhaften Obrigkeit, und zwar auch in kleinen Dingen. Aber leider wie die Herren kennen, bessern sie sich vermutlich nicht, sondern halten fest an dem althannoverschen Wahlspruch: Nec aspera terrant (auch Widerwärtigkeiten schrecken nicht, d.V:), zu deutsch: Polizeiliche Widernisse genieren keinen trinkfesten Niedersachsen.“